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von Gilbert von Luck
Montag, 29.12.2003, ca. 8 Uhr zehn.
Eine seltsame Stimmung hängt in der Wohnung meiner Mutter: Morgendliche Stille, unterbrochen vom Geplärre aus dem Radio, draußen noch die Dunkelheit, in mir die Vorfreude und Spannung angesichts des bevorstehenden Einkaufstages, gepaart mit der Sorge, alles zu schaffen, was ich mir vorgenommen hatte und gedämpft durch einen Rest von Müdigkeit.
Die Musik im Radio (NDR 1, Niedersachsen) wird plötzlich von einer angenehm klingenden Frauenstimme unterbrochen. Mit kühler, Sachkunde suggerierender Stimme, hebt sie an zu referieren: Der Verkauf von Feuerwerkskörpern ist heute eröffnet worden. Zugelassene Feuerwerkskörper wären in zwei Klassen eingeteilt, man solle wegen der Sicherheit auf die Aufdrucke achten, BAM P I oder BAM P II.
Ich runzle die Stirn - wer soll oder wird denn beim oftmals hektischen Einkauf in den Läden auf den zumeist aufwändig verpackten Feuerwerkskörpern nach den "Prüfnummern" suchen? Plötzlich glaube ich, meinen Ohren nicht zu trauen: "Knallbonbons und Knallfrösche gehören zur Klasse I und dürfen auch von Personen unter 18 Jahren das ganze Jahr verwendet werden". Knallfrösche, aha! Da wären die Personen unter 18 Jahren aber froh, wenn sie Knallfrösche kaufen und zünden dürften! Und weiter geht es im Radio mit dem, was die Zuhörer danach genau wissen - schließlich kam es ja im Radio: "Raketen und Kanonenschläge dürfen nur an Personen ab 18 Jahren verkauft und nur vom 31.12., 18 Uhr, bis 1.1., 3 Uhr, abgebrannt werden." Wie bitte? Wer schreibt denn das vor - und wo?
Gerade in Niedersachsen ist in manchen Gemeinden Kl. II-Feuerwerk aufgrund der reetgedeckten Häuser ganz verboten. Ein solches Verbot ermöglichen Sprengstoffgesetz und 1. Durchführungsverordnung zum Sprengstoffgesetz in begründeten Ausnahmefällen für bestimmte, begrenzte Gebiete. Ansonsten aber ist es Sache der einzelnen Ordnungsbehörden, von wann bis wann sie die Verwendung von Feuerwerkskörpern der Kl. II "mit ausschließlicher Knallwirkung" zeitlich AUCH am 31.12. und 1.1. weiter einschränken, während des Zeitraums also, in dem die Verwendung von Kl. II- Feuerwerkskörpern (von 0 bis 24 Uhr!) gesetzlich erlaubt ist. So dürfen also gerade Raketen eben ganztägig am 31.12. und 1.1. abgebrannt werden, auch in Niedersachsen und nicht nur von 18 - 3 Uhr. Eine Rakete ist wohl kaum ein Feuerwerkskörper mit ausschließlicher Knallwirkung. Natürlich gibt es noch Ordnungswidrigkeitengesetze gegen "Ruhestörenden Lärm". Man müsste also aufpassen, was man z.B. am Neujahrsabend abbrennt. Batterien wie "Tanz der Vampire", "Monster King" (Heuler) oder auch schon "Grand Canyon" dürften einen wegen der Abschuss- und Zerlegerknallgeräusche in Konflikt mit den Lärmverhütungsvorschriften bringen. Gegen das Abbrennen von Römischen Lichtern, Fontänen, Sonnen, Raketen ohne lauten Auswurfknall u.s.w. gibt es aber ganztägig am 31.12. und 1.1. nun einmal keine Vorschrift.Aber so etwas erwähnen unsere demokratischen, pluralistischen Rundfunkanstalten natürlich nicht.
Übrigens könnten eine Gemeinde oder ein Kreis ihre Steuersäckel füllen, indem sie herausstellen, ganztägig ohne zeitliche Einschränkung jedes Kl. II- Feuerwerk, also auch solches mit ausschließlicher Knallwirkung, zuzulassen. Man könnte das auf eine bestimmte Gegend oder gar einen Abbrennplatz beschränken, indem man für die anderen Teile der Gemeinde eben ein zeitliches Abbrennverbot erlässt. "Ausgenommen der Platz am Pferdemarkt" könnte solch eine Verfügung z.B. lauten. Das würde feuerwerksbegeisterte Besucher anziehen, und an die wären gewiss die eine oder andere Mahlzeit, Getränke und Feuerwerkskörper aus den ortsansässigen Läden zu verkaufen oder sogar Fremdenzimmer zu vermieten. Mit der Zeit könnte sich, mit oder ohne einen kleinen Eintrittspreis, eine Veranstaltung tradieren, zu der sogar Wurst- und Glühweinbuden aufgebaut werden sowie Zelte, hölzerne Tribünen und Unterstände für Zuschauer und Abbrenner des Feuerwerks. Vom Eintrittsgeld oder auch den Steuereinnahmen, die die Gemeinde durch die zusätzlichen Umsätze ihrer Gaststätten und Läden erhält, könnten am 2.1. Gemeindeeinwohner bezahlt werden, die den Abbrennplatz reinigen.
Doch zurück zu dem "sachkundigen" Beitrag im NDR. Ich frage mich, was diese Desinformation soll und warum man immer nur Leute über Feuerwerk berichten lässt, die keine Ahnung davon haben und unsere silvesterliche Tradition, Feuerwerk zu machen, scheinbar gar nicht aus eigener Erfahrung kennen. Feuerwerker sind schon von Feuerwerksfeinden ERSCHOSSEN worden (Zeitungsberichte liegen mir vor), weil Feuerwerk ja so störend ist und Feuerwerksfeinde sich "im Recht" wähnen, gegen jemanden vorzugehen, der etwa am 1.1. gegen 4 Uhr "noch" Raketen zündet. Schmunzeln musste ich allerdings bei der Vorstellung von die Läden stürmenden 14-Jährigen, die gegenüber entnervten Verkäufern auf die Herausgabe von Knallfröschen bestehen. Schließlich kam es ja im Radio, dass sie welche haben dürften...
Ein Rundfunksender hat journalistische Verantwortung. Welche? Keine. Sie können erzählen, was sie wollen. Uns sollte das eins lehren: Dem zu misstrauen, was im Rundfunk berichtet wird. Halbwahrheiten, frei Erfundenes, Verwechslungen, schlampige Fehler und m.E. auch vorsätzliche Desinformation sind an der Tagesordnung. Hierzu ein Beispiel: In einer vorsilvesterlichen Berliner Abendschau sagte die Sprecherin, die Deutschen würden zu Silvester ungefähr - ich glaube 160 - Millionen DM für Feuerwerk ausgeben. Wie viel gegen den Hunger in der Welt, sei nicht bekannt. Das ist eine böswillige Desinformation. Natürlich ist bekannt, wie viele Millionen oder gar Milliarden an Spenden für Hilfsorganisationen bezahlt werden und wie hoch die Unterstützungsleistungen des Staates für spendensammelnde Organisationen, direkte Hilfe für Katastrophengebiete, Steuervergünstigungen für Spenden etc. sind; zumindest ist es ermittelbar. Hier wurde versucht, ein schlechtes Gewissen zu vermitteln, weil man sich etwas Feuerwerksfreude gönnt, statt etwa das Geld an "Brot für die Welt" zu verschenken, ein Verein, der schon mal in der Anrüchigkeit stand, paramilitärische schwarzafrikanische Organisationen unterstützt zu haben - um nicht zu sagen bewaffnete Banden. Ja, erzählt das doch den Leuten, die sich für 40 Euro eine Theaterkarte kaufen oder Champagner statt Selters trinken oder für hunderte oder tausende Euro zu den olympischen Spielen reisen. Warum redet denen denn keiner ein schlechtes Gewissen ein und verlangt, sie sollen ihr Geld lieber verschenken, um mit den heutigen Hilfslieferungen die Überbevölkerung und die Hungerkatastrophen der Zukunft, die man dann irgendwann nicht mehr wird bewältigen können, zu finanzieren? Unser Feuerwerk schafft Arbeitsplätze und Steuereinnahmen, hier wie in Ländern der Dritten Welt. Es bereitet uns und den meisten Menschen viel Freude und richtet viel weniger Unheil an, als immer erzählt wird.
Schnell mal werden alle Verletzten einer Silvesternacht (Schlägereien, Unfälle, in Menschenmengen hochgeworfene Sektflaschen, deflagrierte Weihnachtsbäume etc.) in der Presse als "Verletzte durch Feuerwerk" bezeichnet. Viel mehr Menschen verletzen sich an Küchenmessern, stürzen von Leitern, 6000 Menschen sterben in Deutschland jährlich im Straßenverkehr und viele junge Menschen fallen beim Reitsport vom Pferd und bleiben ihr Leben lang querschnittsgelähmt. Sollte man das alles verbieten? Es hieße, das Leben zu verbieten. Unfallvorsorge zu betreiben, die Menschen richtig aufzuklären und in den jeweiligen Bereichen auf die Gefahren hinzuweisen, wäre wohl erwachsener. Eine Reitschülerin sollte etwas übers Fallen lernen, die Straßenverkehrsbehörden dürfen nicht personell geschwächt werden, an eine Leiter gehört ein Aufstellhinweis in Deutsch und der Rundfunk sollte Nichtfeuerwerkern mal raten, ihre "Brandbeschleuniger" Silvester vom Balkon zu räumen und Feuerwerkern, eine Kanne Wasser bereitzuhalten, falls sich mal irgendwo etwas D-Böller-Papier an ungünstiger Stelle im Wind entzündet, das wäre sinnvoll.
Jeder, der sich in einem Fachgebiet auskennt, wird irgendwann feststellen, wie schlampig, fehlerhaft oder schlichtweg gelogen im Rundfunk, aber auch in der Presse, berichtet wird, vom Fernsehen ganz zu schweigen, wo oftmals die gezeigten Bilder gar nichts mit den Sprachbeiträgen zu tun haben. Achten sie darauf ruhig einmal bewusst! Einfaches Beispiel: "Viele Deutsche sind schon der Auffassung, dass es mit den Reformen nicht richtig voran ginge." Dazu Bilder einer Straße mit viel Verkehr und von Gehwegen voller Menschen in irgendeiner Stadt, vielleicht einer deutschen. Kein Wort dazu, welche Reformen und wer die überhaupt will. Das alles gäbe zum Schmunzeln Anlass, wäre es nicht so gefährlich. Wie soll der "mündige Bürger" sich angesichts von Des- und Halbinformationen eine Meinung bilden? Wie soll er sich insbesondere über geltendes Recht informieren, wenn nicht über die Medien? Es kann ja nicht jeder die Gesetz- und Verordnungsblätter der Länder und des Bundes abbonieren. Ändern können wir das nicht. Aber meckern sollten wir schon - und selber aufklären. Vielleicht wird dann mal irgendwann etwas besser.
37 Kommentare zu Radiobericht
»Ich finde wenn man mit Böllern und Raketen richtig um geht dan passiert auch nich so viel aber es kann natürlich immer mal zu einer zu frühen zündung kommen!«
»Alles mögliche wird strafrechtlich verfolgt, aber wieso gibt es den keine Einschränkung für "Nachrichten", dass diese nur Fakten, Fakten, Fakten senden dürfen und nicht son Müll, die Silvester total den Bach runter zieht!!! Sowas sollte verboten gehören!!!
Der "Radiobericht" ist wirklich toll, schön, dass sich mal Gedanken gemacht wurde und Unmut Luft gelassen wurde...Ein "Kritikpunkt": Den Bericht wird wohl kaum einer Lesen, der das wirklich mal lesen sollte, sowas müsste man publik machen, wenn dies nicht so schwer wär...;)«
»Gut geschrieben. Sehr schön! Super, endlich die ganze Wahrheit!«
»Tscha, gegen Desund Halbinfo's schütze ich mich so halbwegs durch den regelmäßigen Konsum von Stern und Spiegel *gggg* :D
...und für alle, die uns Feuerwerkern ein ach soooooo endlos schlechtes Gewissen einzureden versuchen, sei die Lektüre des Buches "Sterbehilfe für Afrika" wärmstens an's Herz gelegt. Knallharte und bitterböse Fakten kommen da zutage, und leider kommt man an dieses Buch nur schwer dran. Dafür haben die ach so grundguten größten Hilfsorganisationen schon gesorgt...
Ansonsten habe ich diesem Bericht nichts mehr hinzuzusetzen, außer vielleicht: "Bravo!"«
»Sehr schöner Text, sachlich gut verfasst und ein grinsen kann ich mir nicht verkneifen :)
Viel Glück weiterhin
Alex«
»Die oft an den Haaren herbeigezogene Berichterstattung der Medien über Verletztungen nach dem Neujahrs-Feuerwerk ist ein mechanischer Akt, der alljährlich wiederkehrt und wohl für Zeitung, Funk und Fernsehen einen willkommenen Lückenfüller für die oft nachrichtenarmen ersten Tage des neuen Jahres darstellt. Inhaltlich geprüft wird wenig, da sich die meisten Journalisten mit Feuerwerk nicht auskennen und ihnen die Materie meistens völlig schnurz ist - ein Hausbrand macht sich immer gut im Lokalteil. Angesichts der lächerlichen Treibsatzmengen in bundesdeutschem "Qualitätsfeuerwerk" mit amtlichem Segen ist es ohnehin mehr als verwunderlich, daß sich, abgesehen von ein paar Brandblasen oder dem wunden Zünddaumen, überhaupt größere Unfälle ereignen... manchmal, nur manchmal, wünsche ich mir ein großes Loch, worin diese ganze Bande an uninformierter, bornierter Journaille und vor allem die Oberlangweiler vom BAM samt Ihren gesetzgebenden Vorturnern für immer verschwinden... :-)«
»Das finde ich endlich mal gut den Nichtfeuerwerkern mal die Meinung zu sagen.Und nicht immer alles auf uns zu schieben und zu sagen, das es nur an Feuerwerk liegt, das es so viele Verletzte gibt.«
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